Auch Pfarrer fallen nicht vom Himmel!
Gedanken von Pfarrer Roland Werneck

Nach 1 ½ Jahren heißt es Abschied nehmen. In dieser Zeit hatte ich die Aufgabe, einen so genannten Lehrvikar in unserer Pfarrgemeinde zu begleiten.
Der junge Mann kam von der Universität in der Großstadt Wien, um das Leben in einer Kleinstadt wie Wels kennenzulernen und Einblicke in den Beruf eines Pfarrers zu gewinnen.
Hochmotiviert trat er seinen Dienst Anfang März 2020 bei uns an. Wir hatten uns viele Bereiche vorgenommen, in die er hineinschnuppern sollte: Seelsorge im Krankenhaus und im Gefängnis, Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse.
Nach zwei Wochen stand das öffentliche Gemeindeleben fast völlig still.
Die Kommunikation funktionierte nur mehr über Telefon und elektronische Medien. Erst ab den Sommermonaten waren regelmäßige Zusammentreffen wieder möglich.
Der Lehrvikar überraschte mich immer wieder mit seinen Ideen und Vorschlägen. Als Anfang November das schreckliche Attentat in Wien ganz Österreich schockierte, organisierte er sofort ein interreligiöses Friedensgebet. Die Öffentlichkeit sollte sehen, dass die Aufgabe der Religionen darin besteht, Frieden zu stiften und nicht Angst und Schrecken zu verbreiten.
Es tut gut, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die trotz widriger Umstände neue Ideen und Sichtweisen einbringen.
Unsere Gesellschaft und auch die Kirchen sind darauf angewiesen, dass sich junge kreative Menschen engagieren. Nach der Erfahrung mit meinem Lehrvikar sehe ich der Zukunft zuversichtlich entgegen!

Abschied in den Ruhestand
In der letzten Woche vor den Sommerferien finden an den Schulen die Schlusskonferenzen statt. Dabei geht es neben Notenentscheidungen für die Schülerinnen und Schüler auch immer um Personalfragen.
An meiner Schule haben sich in diesem Jahr drei Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand verabschiedet.
Wenn jemand vierzig Jahre den Lehrerberuf ausgeübt hat, kann er oder sie viel erzählen. Vieles am Unterrichten hat sich seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts verändert. Stundenpläne wurden laufend reformiert, neue Unterrichtsmethoden propagiert.
Die größten Umwälzungen gab es sicher im Bereich der Technik.
Ich kann mich noch an die Matritzendrucker erinnern, die mit Spiritus funktionierten. Den Geruch der Angabezettel für die Schularbeiten werde ich nie vergessen.
Die letzten zwei Schuljahre waren stark durch die Corona-Einschränkungen geprägt. Alle mussten in kurzer Zeit lernen, wie Videokonferenzen funktionieren. Home-schooling und distance learning waren die Begriffe der Stunde.
Bei den Abschiedsreden der Kolleginnen und Kollegen lag Wehmut in der Luft. Einen wichtigen Lebensabschnitt hinter sich lassen zu müssen, fällt niemandem leicht.
Die Bibel macht uns für die Knotenpunkte unseres Lebens ein Angebot. Zurückschauen, sich verabschieden und sich auf Neues einlassen. All das wird vom Segen Gottes begleitet. Durch ihn gestärkt, fällt es leichter, loszulassen.
Ich wünsche allen, die in diesen Monaten in den Ruhestand gehen, die Gewissheit, diesen Schritt als Gesegnete gehen zu dürfen.

Entrümpeln – Abschied von alten Dingen
Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich nur schwer von Dingen trennen können?
Ein geräumiges Haus mit Dachboden und Keller. Die drei Kinder haben alle ein eigenes Zimmer.
Das war in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts für viele Familien in Österreich ein Luxus. Das großzügige Raumangebot hat etwas Verführerisches.
Neue Dinge werden angeschafft: Möbelstücke, Küchengeräte, Bücher, Kleidung.
Die Generation meiner Eltern ist in der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen. Manche mussten als Kinder ihre alte Heimat verlassen und erlebten, wie es ist, alles zurücklassen zu müssen.
Sparsamkeit galt als höchste Tugend. Alles aufheben! Nichts wegwerfen! Es könnte ja noch einmal gebraucht werden.
So füllen sich im Lauf der Jahrzehnte Dachboden und Kellerregale.
Nach dem Tod der Eltern ist es die Aufgabe der Kinder, zu entrümpeln.
Gegenstände können Lebensgeschichten illustrieren, aber ihre Fülle kann den kommenden Generationen auch zur Last werden.
So kann es ein Akt der Befreiung sein, sich von manchen Dingen zu trennen.
Um die Verstorbenen zu ehren, ist es nicht nötig, alles, was zu ihnen gehört hat, festzuhalten.
Jesus warnt einmal seine Jünger davor, Schätze zu sammeln, die dann die Motten und der Rost auffressen. Erinnerungen an gelungene Stunden mit den Verstorbenen können viel wertvollere Schätze sein.
Feriencamps – Abschied auf Zeit
Sommerferien – das ist die Zeit, in der Kinder und Jugendliche sich von den Eltern verabschieden – wenn auch nur auf begrenzte Zeit.
Ich war noch nicht zwölf Jahre alt, als ich das erste Mal ohne meine Eltern auf ein Ferienlager fuhr. Sechs Wochen im Ferienhort für Mittelschüler am Wolfgangsee. Es war eine aufregende, aber auch lange Zeit.
Die Angebote der Feriencamps heute unterscheiden sich nicht grundlegend von dem, was es damals gab: Rudern, Wasserschifahren, verschiedene Ballsportarten, Bergwanderungen, Filmabende. Die Tage und Wochen schienen unendlich zu sein.
Wahrscheinlich hatte ich zwischendurch auch manchmal Heimweh, aber in meiner Erinnerung überwiegt dieses Gefühl des Abenteuers und der Lebensfreude.
Vor kurzem habe ich eine Gruppe Jugendlicher unserer Pfarrgemeinde verabschiedet, die 10 Tage lang in Schweden mit Kanus unterwegs war.
Einigen Eltern schien der Abschied schwerer zu fallen als den jungen Menschen. Sie waren aufgeregt, manche machten sich Sorgen wegen der langen Fahrt oder der Corona-Sicherheitsbestimmungen.
Die Basis für einen guten Abschied auf Zeit ist gegenseitiges Vertrauen.
Der Reisesegen in der Kirche kurz vor der Abfahrt tat den Jugendlichen, den Eltern und den verantwortlichen Mitarbeitern gut.
Ich wünsche allen Kindern und Jugendlichen, die in diesen Wochen auf Feriencamps unterwegs sind, eine gesegnete Zeit – und den Eltern das Vertrauen, dass der Nachwuchs wohlbehalten wieder zurückkehrt.
Auch Abschiednehmen will gelernt sein
Wenn ich im Religionsunterricht meine Schüler und Schülerinnen frage,
von wem sie sich schon für immer verabschieden mussten, erzählen viele von ihren verstorbenen Haustieren.
Ob Katzen, Hunde, Kaninchen oder Vögel – für Kinder ist der Abschied von einem geliebten Tier oft die erste schmerzhafte Begegnung mit dem Tod.
Meine Tochter war gerade sechs Jahre alt, als unser Kater geboren wurde. Sie hatte viel Freude mit dem lebhaften Tier.
Eines Tages sprang der kleine Kater im Garten herum und schnappte nach einer jungen Amsel. Triumphierend brachte er den Vogel in die Wohnung herein.
Die ganze Familie war ziemlich aufgebracht, am meisten natürlich meine Tochter. Wir versuchten die Amsel noch zu retten, aber ein Flügel war bereits schwer verletzt. Frida bestand darauf, die Amsel sofort zum Tierarzt zu bringen, doch der konnte dem Vogel auch nicht helfen.
Nach ein paar Stunden lag die Amsel tot in dem Körbchen, in das wir sie gebettet hatten. Viele Tränen der Trauer flossen.
Die wortreichen Erklärungen der Eltern, dass der geliebte Kater trotz seiner Attacke kein böses Tier ist, sondern seinem Instinkt gemäß gehandelt hat, boten keinen richtigen Trost für die Tochter.
Nach einer Phase der Beruhigung beschlossen wir, für den Vogel ein würdevolles Begräbnis zu arrangieren.
Ein Grab unter dem Marillenbaum wurde ausgehoben, ein passender Grabstein gesucht. Mit Gebet und Segen fand die Amsel ihre letzte Ruhestätte.
Abschied von vertrauten Wegen
Waren Sie in Ihrem Leben schon einmal an einem Punkt,
an dem Sie sich von vertrauen Wegen verabschieden mussten?
Manchmal kann es ganz schnell gehen.
Ein unvorhergesehenes Ereignis. Ab jetzt ist alles anders. Von heute auf morgen. Eine Welt bricht zusammen.
Wenn es gut geht, gibt es Menschen, die dich unterstützen, die dich auffangen, die dich trösten.
Ich habe das vor knapp 20 Jahren erlebt. Meine damalige Frau verstarb an der Folge einer plötzlich aufgetretenen Gehirnblutung.
Ich kam mir vor, wie in einem falschen Film. Immer wieder die Frage:
Ist das die Wirklichkeit?
Ein solches Trauma zu verarbeiten, dauert lange. Darüber zu sprechen, fällt auch nach vielen Jahren nicht leicht.
Es gibt eine Zeit zu trauern. Wie lange sie dauert, dafür gibt es keine Regeln.
Bilder der Erinnerung tauchen immer wieder auf. Das ist gut so.
Und dann kommt eine Phase, in der sich der Blick wieder nach vorne richtet.
Ich wusste, dass mich viele Menschen in Gedanken und Gebeten begleiten.
Manchmal hat das geholfen, manchmal hatte ich das Gefühl, den Weg der Trauer ganz allein gehen zu müssen.
Abschied nehmen ist ein Prozess. Neu anfangen geht nicht von heute auf morgen. Ich wünsche allen, die so einen Weg gehen müssen, stärkende und behütende Engel.

Abschied von vertrauten Orten
Bis zu meinem 45. Lebensjahr bin ich mehr als zwanzig Mal umgezogen.
Verschiedene Studienorte, Arbeitsorte, familiär bedingte Ortswechsel.
Als junger Mensch fand ich das aufregend. Unterwegs sein gehörte irgendwie zu meiner Identität dazu. Es war das permanent Neue, das mich reizte und herausforderte.
Aber sehr früh gewöhnte ich mir auch an, bewusst Abschied zu nehmen von Orten, die ich liebgewonnen hatte. Orte in der Natur, am Berg, im Wald, aber auch Orte in der Stadt – besondere Häuser, Plätze, Straßen.
Jetzt wohne ich schon seit 10 Jahren mit meiner Familie in der Umgebung von Wels. Die Lebenssituation hat sich geändert. Ich bin sesshaft geworden.
Aber das Abschied nehmen ist geblieben und manchmal bin ich froh, dass ich es früh gelernt habe. Abschied nehmen als wesentlicher Bestandteil des Lebens. Von geliebten Menschen, vertrauten Orten, Lebensphasen, die vorübergehen.
Abschiede sind oft schmerzhaft, aber wenn wir sie bewusst gestalten und begehen, können sie auch neue Perspektiven eröffnen. In einem Lied von Klaus Peter Hertzsch aus dem Jahr 1989 heißt es: Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.