Predigt von Dechant Dr. Slawomir Dadas (röm.-kath. Pfarre Vogelweide) am Sonntag Okuli 3. März 2013 in der Christuskirche Wels

„So viel du brauchst!“ (Mt 6,19-34)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
eine der Eigenschaften unserer Zeit ist der Machbarkeitswahn. Alles scheint machbar zu sein. Der prominenteste Spruch in diesem Zusammenhang ist uns aus der amerikanischen Vorwahl des Jahres 2008 bekannt: „Yes, we can“. Er war zwar nicht neu, denn er wurde bereits in den 70-er Jahren durch den Gründer der amerikanischen Landarbeiter-Gewerkschaft verwendet, er weckte aber neu Hoffnungen und mobilisierte Kräfte und machte aus Obama den Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Im Bereich des Konsums wird die Machbarkeit des Glücks trivial – um nicht zu sagen – primitiv angewendet. Zahl eins und iss, soviel du kannst – bis dir schlecht wird. Oder, wie das am Freitag und Samstag in der Wiener Millennium City in einer Buchhandlung der Fall war: man konnte kostenlos stapelweise Bücher mitnehmen, unter der Voraussetzung, dass man sie auf einmal tragen kann. Oder im Herbst letzen Jahres in einem Elektronikgeschäft in München: unter dem Motto „All you can schlepp“ durften Kunden in 150 Sekunden so viel Ware, wie sie tragen konnten, umsonst mitnehmen – zumindest der Gewinner.
So viel du kannst. Ob es nötig und wichtig ist, ob es gut tut, wird nicht gefragt. Denn der Machbarkeitswahn interessiert sich dafür nicht. Er verführt den Menschen zum Glauben an die Bewältigung des Lebens aus eigener Kraft, er versucht einzureden, dass die Fülle des Lebens im Selbstgemachten liegt; also in dem, was ich mir selbst erarbeiten, ersparen, erkämpfen kann.

Ganz anders ist die Botschaft der Bibel. Sie spricht nicht von dem, was du kannst, sondern von dem, was du brauchst. Die heute gehörten Texte aus dem Evangelium nach Matthäus warnen zuerst vor der Überbewertung des Reichtums, der – zum Götzen erhoben – den Weg zum Gott versperrt. Sie warnen vor der Bindung des Herzens an das Vergängliche, um in der Vergänglichkeit nicht unterzugehen. Und endlich warnen sie vor dem Dienst dem falschen Herren, der das wahre Leben verfinstert.
Gott beschenkt nicht mit dem, was du gratis schleppen kannst, sondern mit dem, was du zu einem Leben im Heil brauchst.

Der Ruf: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt“, ist die Gegenthese zum Machbarkeitswahn. Vertraue darauf, dass der, der die Schöpfung ins Leben gerufen hat, auch für diese Schöpfung sorgt. Vertraue darauf, dass Gott es gut mit dir meint, wie er es in Jesus an so vielen Menschen gezeigt hat; an Menschen, die aus der Hoffnungslosigkeit und aus der Ausgrenzung befreit und in die Gemeinschaft wieder aufgenommen wurden. Glaube nicht daran, dass du allein deines Glücks Schmid bist, sondern siehe alles, womit du bereits in deinem Leben beschenkt wurdest und sei dankbar dafür.

„So viel du brauchst.“

Mit diesem Satz sollte aber keine falsche Hoffnung verbunden werden. Denn so viel du brauchst, könnte heißen: Ich mache einen Wunschzettel, wie die Kinder beim Christkind, begleite es mit gläubigem Gebet und dann erfüllen sich all meine Bedürfnisse.
„So viel du brauchst“ heißt im religiösen Sinn manchmal Erfahrungen zu machen, die man nicht erwartet. Wie der reiche Jüngling aus dem Evangelium, der das Himmelreich gewinnen wollte und der erfahren musste, dass er sich von seinem Besitz trennen sollte, weil er nicht frei war. Wie die Pharisäer, die eine Frau zur Steinigung herausführten und denen bewusst gemacht wurde, dass sie nicht das Recht haben zu urteilen, weil sie selbst nicht ohne Sünde waren. Oder wie Petrus, der schwören wollte, dass er für den Herrn sein Leben gibt und erfahren hat, dass die Angst manchmal größer ist als alle guten Vorsätze.
„So viel du brauchst“ kann im Bereich des christlichen Lebens nicht mit der Logik des Konsums und des Besitzes bemessen werden. Manchmal heißt „so viel du brauchst“ zu verzichten, manchmal in die Wüste zu gehen, manchmal sich den anderen zuwenden, manchmal sich zurücknehmen und manchmal die Stimme zu erheben.
„So viel du brauchst“ meint aber in jedem Fall das Vertrauen in Gott zu haben, in seine Liebe, zu der er sich selbst verpflichtet. Es meint, sich in Gott geborgen zu wissen, sich von ihm getragen zu fühlen gerade in solchen Momenten, in denen die Welt uns nichts als Ablenkung anzubieten hat.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, in seiner „Predigt der Vögel“ formulierte Martin Luther die Gedanken eines Vogels, wenn er reden könnte: „ Ei, ihr müsst eine Frankfurter Meß haben, damit ihr Kleider bekommt; den Vater, den wir haben wollt ihr ja nicht; darum müsst ihr den Gulden haben und ihm dienen.“
Ich wünsche uns allen, dass wir frei werden wie die Vögel, frei vom Prestige und Reichtum, frei von falschen Sicherungen, die das Eigentliche des Lebens verdunkeln. Ich wünsche uns, dass wir an die Liebe Gottes zu uns glauben und daran, dass er uns beschenkt, so viel wir brauchen.