Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, ich kann sie gestalten.
Paul Watzlawick

Schritt für Schritt gehe ich durch die Straßen. In dem einen Haus brennt ein Licht, der Vorhang ist vorgezogen. Ich komme an zwei Jugendlichen vorbei, die lachend auf einer Bank sitzen. Ich sehe, wie die letzten Geschäfte abgeschlossen werden. Mein Handy vibriert. Ich öffne es und lese den Anfang der Nachricht einer Freundin „Was sagst du dazu, was …“. Ich lese gar nicht weiter. Ich möchte nicht wissen, wer, was, wie, wann. Dann öffne ich ORF und sehe, dass schon wieder Angriffe stattgefunden haben und neue Sanktionen verhängt worden sind.
Ich bleibe stehen, setze mich auf den Rand einer Bank, stecke das Handy wieder in meine Hosentasche und atme tief ein und aus. Auf einmal seufzt jemand neben mir. Ich werde komplett aus dem Moment herausgerissen, habe davor gar nicht realisiert, dass ich mich zu jemandem dazugesetzt habe. Ich will schnell aufstehen, aber die Person hält mich davon ab und lässt mich sitzen. Und wir kommen dann irgendwie ins Gespräch. Und dann fragt sie mich, wie es mir geht. „Joa, passt schon“, ist meine Antwort, aber eigentlich ist klar, dass nicht alles „passt schon“ ist und die Person fragt, was gerade nicht passt. Ich soll jetzt einer Person, die ich vor 5 Minuten kennengelernt habe, erzählen, was „nicht passt“. Aber irgendwie tut das jetzt gerade gut. Und ich erzähle von der momentanen Situation, von dem, was ich im Internet gelesen habe. Und erzähle, wie traurig ich über das alles bin und wie eingeengt ich mich fühle. Frage, wieso nicht alles so schön und friedlich sein könnte, wie hier. Wieso das alles sein muss. Und wieso ich so nutzlos daneben stehe, nur das alles lese und nicht aktiv bin. Nicht so wie andere, die ihr Leben geben, indem sie für die Werte einstehen, die ihnen wichtig sind.

Nach einer kurzen Pause reagiert mein Gegenüber.

„Weißt du, ich glaube wir sollen aktiv werden, dort, wo wir ins Leben gestellt sind, aber es geht nicht darum alles zu verändern. Das kannst du auch gar nicht. Es geht viel mehr darum, im Kleinsten vom Kleinen zu handeln. Denn das ganz Kleine verändert das Kleine und das wieder das Große und das das Ganzgroße. Es geht darum, dass du das, was du geben kannst, das, was du zum Leben, zum Zusammenleben beitragen kannst, bewusst gibst und bewusst auf das reagierst, was andere geben.“

Und plötzlich realisiere ich, ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, ich kann sie gestalten.