DIE VERKRÜMMTE FRAU AM SABBAT

PREDIGT ZU LUKAS 13,10-17:

Vor 2 ¾ Jahrtausenden gibt es Unrecht, es gibt Menschen, die darauf aus sind, Unheil anzurichten im Gebiet des Libanon und des heutigen Israel. Das haben wir in der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja haben gehört. So wie heute. Dort und bei uns. Es sind Einzelpersonen, die gehen über Leichen. Bis zum Verursachen eines Krieges. Jesaja sagt: eine kleine Weile noch. Dann sind wir erlöst. 

Bei manchen globalen politischen Handlungen heute habe ich den Eindruck: manche nehmen das „eine kleine Weile noch“ zu wörtlich. Sie rechnen sowieso nicht mehr mit einer wirklichen Zukunft. Also holen sie für sich das Beste raus und sie nicht darauf, was sie mit ihrem Tun bei anderen anrichten. 

Kommt das Ende der Welt bald? Oder nicht? 

Die ersten Christinnen und Christen dachten, nachdem Jesus Christus gestorben war, dass bald die Apokalypse eintreten würde. Jesus Christus würde bald wieder kommen und die Toten würden wiederauferstehen. Doch die kleine Weile dauert an. Bis heute. 

Politik nach dem Motto zu machen: Alles schon egal, hinter mir die Sintflut – das ist wohl weder mit den Erfahrungen der ersten Christenheit zu vereinbaren noch mit dem, was Christus gesagt und erlebt hat. 

In der Mitte des Lukasevangeliums, Kapitel 12 und 13, ist eine bunt gemischte Sammlung an Texten und Begebenheiten mit Jesus, die davon handeln, worauf es in den „letzten Tagen“ ankommt. 

Hört den Predigttext Lukas 13,10-17 (Basisbibel): 

Als Jesus einmal am Sabbat in einer der Synagogen lehrte, war dort eine Frau. Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten.
Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte zu ihr:
»Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!«
Und er legte ihr die Hände auf.
Sofort richtete sie sich auf und lobte Gott.
Aber der Leiter der Synagoge ärgerte sich darüber, dass Jesus die Frau an einem Sabbat heilte. Deshalb sagte er zu der Volksmenge:
»Es gibt sechs Tage, die zum Arbeiten da sind. Also kommt an einem dieser Tage, um euch heilen zu lassen – und nicht am Sabbat!«
Doch der Herr sagte zu ihm:
»Ihr Scheinheiligen! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Futterkrippe los und führt ihn zur Tränke? Aber diese Frau hier, die doch eine Tochter Abrahams ist, hielt der Satan gefesselt – volle achtzehn Jahre lang! Und sie darf am Sabbat nicht von dieser Fessel befreit werden?«
Als Jesus das sagte, schämten sich alle seine Gegner.
Doch die ganze Volksmenge freute sich über die wunderbaren Taten, die Jesus vollbrachte.

Herr: erfülle unser Hören und Reden. Amen

18 Jahre lang – ein ganzes Erwachsenwerden lang – ist eine Frau eingekrümmt. 

Wahrscheinlich hat es unvermittelt eines Tages Schnapp gemacht und sie konnte sich nicht mehr aufrichten. 

Das schränkt ein. Schmerzt wahrscheinlich dauernd.

Ein unauffälliges, einfaches Teilnehmen am normalen sozialen Leben: kaum möglich. Der Körper der Frau ist verkrümmt. Sie kann nicht mehr nach vorne schauen. Nur nach unten oder auf sich selbst. 

Aber was ist der Blick auf die Zukunft?

Martin Luther hat einmal vom Menschen gesprochen, der in sich selbst eingekrümmt ist. Das war für ihn der Ausdruck eines Sünders: ein in sich eingekrümmter Mensch. Fokus nur noch auf sich selbst und vielleicht den unmittelbaren Boden, auf dem er/sie steht. Andere Menschen, die Umwelt sehen: nein. Und Gott. Auch nicht.

Gibt es da noch eine Zukunft für so jemanden geknickten? 

Wie ein geknicktes Rohr ist der Körper der Frau. „Ein hoffnungsloser Fall“, werden die Menschen gesagt haben. „Seit 18 Jahren schon kann sie sich nicht aufrichten. Das wird nicht mehr.“ 

So plötzlich wie ihre Wirbelsäule eingeknickt ist, ist sie auch wieder aufgerichtet. Von Jesus. Er war da, sah ihr Leid und heilte sie. So einfach. 

Eine Person wieder heil, Schmerzen weg. Blick nach vorne, in die Zukunft wieder möglich. Blick auf die Umwelt und die Mitmenschen und Gott. Sie kann ihnen wieder in die Augen schauen. Und die anderen ihr. Ihr Blick ist nicht mehr verborgen. Sie ist wieder Teil der Gesellschaft. 

– „Nicht so schnell, das ist gar nicht so einfach.“ Auftritt der selbsternannte Regeleinhaltepolizei. 

„Das geht so aber nicht. Sie müssen sich an die Öffnungszeiten halten. Stellen Sie sich bitte hinten an. Jetzt ist der heilige Schabbat, da tumma nix, da sind wir – leider – geschlossen.“

Vielleicht sagen die dann noch: „Sie müssen schon verstehen. Gesetzesgelehrter sein ist anstrengend. Sie untergraben damit unser hart erkämpftes Recht auch einmal Pause zu machen.“ 

„Ja wozu brauchen Sie denn Pause?“ könnte dann jemand entgegnen. 

„Na um unsere Beziehung zu Gott zu pflegen. Damit wir uns mal nicht nur mit unseren täglichen Angelegenheiten rund um uns selber kümmern, sondern uns mal nach oben hin aufrichten zu Gott hin.“ 

„Und klappt das auch?“

– Es folgt betretenes Schweigen.

(Das wird so nicht stattfinden, da die Emotionen schon viel zu stark hochgekocht sind.)

Vor lauter Regeln, die gut gemeint sind und ursprünglich einen Sinn hatten, wird das Ziel der Regeln vergessen: Zeit um seine eigenen Knickse wieder aufzurichten und den Blick nach oben und vorn wieder zu bekommen. 

Ein Riesensystem, ein Apparat an Regeln ist entstanden, der das Leben verwaltet. 

Es braucht eine Verwaltungsreform.

Ich lade Sie jetzt ein, kurz für sich nachzudenken, welche Regeln Sie für Ihr Leben aufgestellt haben, die mal ursprünglich einen Sinn haben, die Sie aber eigentlich belasten und Abhalten vom Blick nach vorne. Überlegen Sie mal kurz, ob ihnen etwas einfällt und dann teilen Sie gern, wenn Sie möchten, Ihrem Sitznachbarn mit, ob es eine Lebensregel gibt, die Sie gern entrümpeln wollen – und wenn ja, wie. 

Ich möchte kurz zusammenfassen: 

Und der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft stärke und bewahre deine Sinne in Christus Jesus.